Joseph Polowsky
Nachdenken über sein Leben
Ich heiße Ted Polowsky und bringe hier einige Überlegungen über Leben und Wirken meines Vaters zu Papier. Je mehr die Zeit voranschreitet desto weniger Menschen machen sich noch Gedanken über jenen Weltenkonflikt, der uns allen als der 2. Weltkrieg bekannt wurde, und darüber, wie sehr dieser Weltkrieg die gegenwärtige Menschheitsgeschichte mitbestimmt hat. Ich glaube, es bedarf einer besonderen Art von Menschen, die sich mit Ereignissen und Zeiten befassen, die sie nicht persönlich durchlebt haben. Nicht nur Historiker und Gelehrte sollten sich mit der Vergangenheit befassen. Die ganze Menschheit fährt besser, wenn sie aus der Vergangenheit lernt und im Fall des 2. Weltkriegs nicht die gleichen Fehler wiederholt.
Dreimal habe ich persönliche Erfahrungen an diesem historischen Ort von Torgau sammeln können. Das erste Mal war die Beerdigung meines Dads hier in Torgau am 26. November 1983. Dieser Tag hat sich fest und unauslöschlich in meinem Gedächtnis eingegraben. Das war eine Erfahrung, die mein Leben verändert hat, in der ich Zeuge von Geschichte wurde. Da wurde ein Taxifahrer aus Chicago-Stadt mit vollen militärischen Ehren beigesetzt. Dort fanden die Sowjetunion und die USA in einem der äußerst seltenen Fälle als Alliierte und nicht als Gegner im Kalten Krieg zueinander.
Noch erstaunlicher war an dem Ganzen, dass wenige Wochen vor der Beerdigung meines Dads der Abschuss eines koreanischen Passagierdüsenflugzeugs über militärischem Sperrgebiet der Sowjetunion die Welt an den Abgrund eines neuen weltweiten Infernos gebracht hatte. Noch wenige Tage vor seinem Tod hatte mein Dad zu Papier gebracht, wie wichtig ihm seine Beerdigung gerade in Torgau sein würde. Er spürte, dass diese Beerdigung der Heilung und Wiedergutmachung in den Beziehungen dieser Alliierten des 2. Weltkriegs diente. Wichtig ist auch, dass mein Dad nur einen unteren Rang in der US-Armee innehatte und ebenso innerhalb der Gesellschaft als Taxifahrer in Chicago. Die meisten der Chicagoer Reporter meinten, dass er nicht ganz richtig im Kopf sei, anzunehmen, im kommunistischen Ostdeutschland beerdigt werden zu können. Sie fragten ihn, wieso wohl die Russen es einem einfachen Soldaten gestatten würden, hinter dem Eisernen Vorhang begraben zu werden.
Eine ganz einfache Frage ist es, die jeder, der hier zuhört, stellen sollte: Wie kommt es, dass ein Taxifahrer aus Chicago ohne Geld und Einfluss die DDR, die USA und die Sowjetunion während eines der schwierigsten Zeiten des Kalten Krieges zu einem Treffen bewegen konnte, um einen Soldaten aus dem 2. Weltkrieg ganz in der Nähe des Elbufers zu begraben?
Die Antwort lautet: Noch lange bevor Joseph Polowsky Taxifahrer wurde, und lange bevor die USA und die Sowjetunion zu Erzfeinden wurden, lange vor dem Kalten Krieg waren diese beiden militärischen Supermächte Alliierte, die um das nackte Überleben kämpften.
Diese Botschaft möchte ich an all jene richten, die in der Lage sind, dieses Vermächtnis Joseph Polowskys zu lesen oder zu hören. Einfach das eine, dass mein Dad sein ganzes Leben nach Torgau zurückkehren wollte. Torgau bestimmte sein Denken und seine Träume jeden Tag seines Lebens, seit jenem historischen Tag des 25. April 1945. Torgau war für meinen Dad der Ort der Verheißung; seiner Hoffnungen und Träume. Und er wünschte sich, Torgau würde auch ein Ort der Hoffnungen und der Träume der ganzen Welt. Ich danke Euch, die ihr Euch diese Zeit genommen habt, und mit euch sei Gott. Und im Namen Joseph Polowskys: Ich weiß er hätte euch dafür gedankt, dass Ihr Euch seiner und jenes historischen Ereignisses in dieser Stadt Torgau hier in Deutschland erinnert.
Das ist ein Auszug eines längeren Textes, den Ted Polowsky anlässlich des 75. Jahrestages der Elbe Begegnung bei Torgau dem Förderverein Europa Begegnungen e.V. zur Verfügung gestellt hat. Interessenten können mit uns in Kontakt treten.